Difference between revisions of "Manfred Pfister, Das Drama (1977)"

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Manfred Pfister, Das Drama. Theorie und Analyse, München 1984, 1982.
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|valign="top"|79
79: 3.4 DIE RELATIONEN ZWISCHEN FIGUREN- UND ZUSCHAUERINFORMIERTHEIT
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|valign="top"|3.4 DIE RELATIONEN ZWISCHEN FIGUREN- UND ZUSCHAUERINFORMIERTHEIT
 
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: 3.4.1 Diskrepante Informiertheit
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|valign="top"|3.4.1 Diskrepante Informiertheit
80 Discrepant awareness (nach Bertrand Evans): "Es läßt sich [...] in jeder Situation des Textablaufs für [81] jede dramatische Figur die Summe der Informationen angeben, von der aus als faktischer Basis sie die jeweilige Situation beurteilt. Durch die diskrepante Informiertheit wird also ein und dieselbe Situation von den beteiligten Figuren unterschiedlich beurteilt.  
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81 3.4.1.1 Informationsvorsprung der Zuschauer
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quantitativ dominierend.  
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|valign="top"|Discrepant awareness (nach Bertrand Evans): "Es läßt sich [...] in jeder Situation des Textablaufs für [81] jede dramatische Figur die Summe der Informationen angeben, von der aus als faktischer Basis sie die jeweilige Situation beurteilt. Durch die diskrepante Informiertheit wird also ein und dieselbe Situation von den beteiligten Figuren unterschiedlich beurteilt.
83 3.4.1.2 Informationsrückstand der Zuschauer
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84 Der zerbrochene Krug.
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85 Ibsen; meist werden allerdings gegenläufige Strukturen der Informiertheit kombiniert.  
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|valign="top"|3.4.1.1 Informationsvorsprung der Zuschauer
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quantitativ dominierend.
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|valign="top"|83
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|valign="top"|3.4.1.2 Informationsrückstand der Zuschauer
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|valign="top"|Der zerbrochene Krug.
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|valign="top"|Ibsen; meist werden allerdings gegenläufige Strukturen der Informiertheit kombiniert.
 
Technik: "Reduktion der Mitteilungsmöglichkeiten der dramatischen Figur: der Informationsträger bleibt opak"
 
Technik: "Reduktion der Mitteilungsmöglichkeiten der dramatischen Figur: der Informationsträger bleibt opak"
86 3.4.2 Kongruente Informiertheit
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|valign="top"|3.4.2 Kongruente Informiertheit
 
tritt auf in einzelnen Textphasen oder nur in der Relation zwischen einer Figur und dem Publikum.
 
tritt auf in einzelnen Textphasen oder nur in der Relation zwischen einer Figur und dem Publikum.
konsequent nur vereinzelt: etwa in Waiting for Godot.  
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konsequent nur vereinzelt: etwa in Waiting for Godot.
87 3.4.3 Dramatische Ironie
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88 beruht auf der "Interferenz von innerem und äußerem Kommunikationssystem"
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|valign="top"|3.4.3 Dramatische Ironie
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|valign="top"|beruht auf der "Interferenz von innerem und äußerem Kommunikationssystem"
 
"tritt immer dann auf, wenn die sprachliche Äußerung oder das außersprachliche Verhalten einer Figur für den Rezipienten aufgrund seiner überlegenen Informiertheit eine der Intention der Figur widersprechende Zusatzbedeutung erhält".
 
"tritt immer dann auf, wenn die sprachliche Äußerung oder das außersprachliche Verhalten einer Figur für den Rezipienten aufgrund seiner überlegenen Informiertheit eine der Intention der Figur widersprechende Zusatzbedeutung erhält".
 
<Bsp: honest Iago>
 
<Bsp: honest Iago>
[...]  
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122 3.7 SUKZESSION UND INFORMATIONSVERGABE
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|valign="top"|[...]
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|valign="top"|3.7 SUKZESSION UND INFORMATIONSVERGABE
 
3.7.1 Simultaneität und Sukzession
 
3.7.1 Simultaneität und Sukzession
124 3.7.2 Informationsvergabe am Drameneingang
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|valign="top"|3.7.2 Informationsvergabe am Drameneingang
 
3.7.2.1 Exposition und dramatischer Auftakt
 
3.7.2.1 Exposition und dramatischer Auftakt
 
Exposition: primär informativ-referentielle Funktion
 
Exposition: primär informativ-referentielle Funktion
 
Auftakt: darüber hinaus die phatischen Funktionen der Aufmerksamkeitsweckung des Rezipienten und der atmosphärischen Einstimmung auf die Spielwelt.
 
Auftakt: darüber hinaus die phatischen Funktionen der Aufmerksamkeitsweckung des Rezipienten und der atmosphärischen Einstimmung auf die Spielwelt.
125 3.7.2.2 Initial-isolierte vs. sukzessiv-integrierte Exposition
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126 (zu letzerem gehören auch analytische Struktur im Drama und Anagnorisis)
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|valign="top"|125
127 3.7.2.3 Dominanter Zeitbezug
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|valign="top"|3.7.2.2 Initial-isolierte vs. sukzessiv-integrierte Exposition
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|valign="top"|(zu letzerem gehören auch analytische Struktur im Drama und Anagnorisis)
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|valign="top"|127
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|valign="top"|3.7.2.3 Dominanter Zeitbezug
 
dominanter Vergangenheitsbezug: expositorische Informationsvergabe dominiert den Kontext, Gegenwart der dramatischen Situation bleibt ihr untergeordnet. (Extrembeispiel: Prolog).
 
dominanter Vergangenheitsbezug: expositorische Informationsvergabe dominiert den Kontext, Gegenwart der dramatischen Situation bleibt ihr untergeordnet. (Extrembeispiel: Prolog).
dominanter Gegenwartsbezug: "expositorische Informationsvergabe durch die gegenwärtige dramatische Situation motiviert", "ihr funktional untergeordnet".  
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dominanter Gegenwartsbezug: "expositorische Informationsvergabe durch die gegenwärtige dramatische Situation motiviert", "ihr funktional untergeordnet".
128 dominant futurischer Bezug:  
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129 (Bsp: Hexen am Anfang von Macbeth)
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|valign="top"|128
130 3.7.2.4 Monologische vs. dialogische Vermittlung
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|valign="top"|dominant futurischer Bezug:
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|valign="top"|129
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|valign="top"|(Bsp: Hexen am Anfang von Macbeth)
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|valign="top"|3.7.2.4 Monologische vs. dialogische Vermittlung
 
monologisch: durch spielexterne Figur: Prolog(figur).
 
monologisch: durch spielexterne Figur: Prolog(figur).
duch spielinterne Figur: nicht so isoliert, Übergang kann fließend gestaltet werden.  
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duch spielinterne Figur: nicht so isoliert, Übergang kann fließend gestaltet werden.
132 dialogisert: am einfachsten durch 'protatische Figur'  
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132f frz. Tragödie: Held-confident
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|valign="top"|132
133f komplexer: Integration in richtigen Dialog der Figuren. Bsp. Hofmannsthals Der Schwierige
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|valign="top"|dialogisert: am einfachsten durch 'protatische Figur'
135 => "perspektivische Exposition": "wenn [der] prinzipiell gegebene Perspektivismus durch ein Arrangement von miteinander korrespondierenden und kontrastierenden perspektivischen Rückwendungen bewußt gemacht wird.
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3.7.2.5 Deskriptive vs. normative Theorie der Exposition.  
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|valign="top"|132f
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|valign="top"|frz. Tragödie: Held-confident
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|valign="top"|komplexer: Integration in richtigen Dialog der Figuren. Bsp. Hofmannsthals Der Schwierige
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|valign="top"|135
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|valign="top"|=> "perspektivische Exposition": "wenn [der] prinzipiell gegebene Perspektivismus durch ein Arrangement von miteinander korrespondierenden und kontrastierenden perspektivischen Rückwendungen bewußt gemacht wird.
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|valign="top"|3.7.2.5 Deskriptive vs. normative Theorie der Exposition.
 
die drei genannten Kriterien sollen nicht der ästhetischen Wertung dienen.
 
die drei genannten Kriterien sollen nicht der ästhetischen Wertung dienen.
136 3.7.2.6 Außersprachliche expositiorische Informationsvergabe; point of attack  und Exposition
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137 später point of attack: "der dramatisch präsentierten Eingangssituation geht eine umfangreiche Vorgeschichte voraus" => große Menge von Informationen ist expositorisch zu vermitteln.  
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|valign="top"|136
früher point of attack: Einsatzpunkt der dramatisch präsentierten Handlungsphasen fällt mit dem Anfang der Geschichte zusammen.  
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|valign="top"|3.7.2.6 Außersprachliche expositiorische Informationsvergabe; point of attack  und Exposition
3.7.3 Informationsvergabe am Dramenende
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|valign="top"|137
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|valign="top"|später point of attack: "der dramatisch präsentierten Eingangssituation geht eine umfangreiche Vorgeschichte voraus" => große Menge von Informationen ist expositorisch zu vermitteln.
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früher point of attack: Einsatzpunkt der dramatisch präsentierten Handlungsphasen fällt mit dem Anfang der Geschichte zusammen.
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|valign="top"|3.7.3 Informationsvergabe am Dramenende
 
Aristoteles: Lusis, Peripetie, Anagnorisis, Katastrophe
 
Aristoteles: Lusis, Peripetie, Anagnorisis, Katastrophe
138 Lateinische Theoretiker: solutio, inversio.
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Frz. Klassik: Dénouement.  
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|valign="top"|138
3.7.3.1 Geschlossenes Dramenende
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|valign="top"|Lateinische Theoretiker: solutio, inversio.
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Frz. Klassik: Dénouement.
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|valign="top"|
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|valign="top"|3.7.3.1 Geschlossenes Dramenende
 
Anagnorisis, solutio, Dénouement: Informationsdiskrepanzen zwischen den Figuren selbst und zwischen Figuren und Publikum werden abgebaut. => "geschlossenes Dramenende"
 
Anagnorisis, solutio, Dénouement: Informationsdiskrepanzen zwischen den Figuren selbst und zwischen Figuren und Publikum werden abgebaut. => "geschlossenes Dramenende"
140 3.7.3.2 Offenes Dramenende
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|-
Informationsdiskrepanzen bleiben bestehen, Funktion unterschiedlich.  
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|valign="top"|140
[...]  
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|valign="top"|3.7.3.2 Offenes Dramenende
180 4.5 MONOLOGISCHES SPRECHEN
+
Informationsdiskrepanzen bleiben bestehen, Funktion unterschiedlich.
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|valign="top"|
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|valign="top"|[...]
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|valign="top"|180
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|valign="top"|4.5 MONOLOGISCHES SPRECHEN
 
4.5.1 Monolog und Dialog
 
4.5.1 Monolog und Dialog
 
4.5.1.1 Situative und strukturelle Differenzkriterien
 
4.5.1.1 Situative und strukturelle Differenzkriterien
 
—situativ: Einsamkeit des Sprechers, Selbstgespräch (engl: soliloquy) [binäre Klassifikation: ja oder nein]
 
—situativ: Einsamkeit des Sprechers, Selbstgespräch (engl: soliloquy) [binäre Klassifikation: ja oder nein]
—strukturell: Umfang und in sich geschlossener Zusammenhang einer Replik (engl: monologue) [Skalierung: mehr oder weniger].  
+
—strukturell: Umfang und in sich geschlossener Zusammenhang einer Replik (engl: monologue) [Skalierung: mehr oder weniger].
181 4.5.1.2 Monolog vs. Monologhaftigkeit, Dialog vs. Dialoghaftigkeit
+
|-
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|valign="top"|181
 +
|valign="top"|4.5.1.2 Monolog vs. Monologhaftigkeit, Dialog vs. Dialoghaftigkeit
 
Dialog- bzw. Monologhaftigkeit etc. ergibt sich aus dem 'mehr oder weniger' der strukturellen Beschreibung.
 
Dialog- bzw. Monologhaftigkeit etc. ergibt sich aus dem 'mehr oder weniger' der strukturellen Beschreibung.
Nach Mukarovský bringt jeder Sprecher seinen eigenen Kontext in den Dialog ein. Im Dialog prallen also die Kontexte aufeinander. (Ableitung des strukturellen Kriteriums aus dem situativen).  
+
Nach Mukarovský bringt jeder Sprecher seinen eigenen Kontext in den Dialog ein. Im Dialog prallen also die Kontexte aufeinander. (Ableitung des strukturellen Kriteriums aus dem situativen).
182 auch in der Rede der einzelnen Figur können sich mehrere Kontexte durchdringen.  
+
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=> je mehr semantische Richtungsänderungen, desto mehr Dialogizität.  
+
|valign="top"|182
4.5.1.3 Monologisierung des Dialogs
+
|valign="top"|auch in der Rede der einzelnen Figur können sich mehrere Kontexte durchdringen.
idealtypischer "dialoghafter Dialog": "störungsfreie Zwei- oder Mehrwegkommunikation zwischen zwei oder mehreren Figuren, die zueinander in einem Verhältnis der Polarität und Spannung stehen, in ihren Repliken ständig aufeinander Bezug nehmen und aufgrund prinzipieller Gleichberechtigung einander jederzeit unterbrechen können, so daß sich eine ausgewogene quantitative Relation ihrer Repliken ergibt"  
+
=> je mehr semantische Richtungsänderungen, desto mehr Dialogizität.
 +
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|valign="top"|
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|valign="top"|4.5.1.3 Monologisierung des Dialogs
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idealtypischer "dialoghafter Dialog": "störungsfreie Zwei- oder Mehrwegkommunikation zwischen zwei oder mehreren Figuren, die zueinander in einem Verhältnis der Polarität und Spannung stehen, in ihren Repliken ständig aufeinander Bezug nehmen und aufgrund prinzipieller Gleichberechtigung einander jederzeit unterbrechen können, so daß sich eine ausgewogene quantitative Relation ihrer Repliken ergibt"
 
Monologisierung: als Resultat gestörter Kommunikation
 
Monologisierung: als Resultat gestörter Kommunikation
183 als Resultat des vollständigen Konsensus zwischen Figuren.  
+
|-
184 als Resultat der Dominanz einer Figur.  
+
|valign="top"|183
4.5.1.4 Dialogisierung des Monologs
+
|valign="top"|als Resultat des vollständigen Konsensus zwischen Figuren.
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|valign="top"|184
 +
|valign="top"|als Resultat der Dominanz einer Figur.
 +
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|valign="top"|
 +
|valign="top"|4.5.1.4 Dialogisierung des Monologs
 
Anrede, Apostrophe (an eine Gottheit).
 
Anrede, Apostrophe (an eine Gottheit).
 
Selbstapostrophierung (innerer Dialog).
 
Selbstapostrophierung (innerer Dialog).
185 Wendung ans Publikum. sie etabliert aber im ad spectatores ein episches Kommunikationssystem.  
+
|-
4.5.2 Monolog
+
|valign="top"|185
 +
|valign="top"|Wendung ans Publikum. sie etabliert aber im ad spectatores ein episches Kommunikationssystem.
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|valign="top"|
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|valign="top"|4.5.2 Monolog
 
4.5.2.1 Konvention vs. Motivation
 
4.5.2.1 Konvention vs. Motivation
"Der Monolog beruht primör auf einer Konvention, einer nicht ausgesprochenen Übereinkunft zwischen Autor und Rezipient, daß eine Dramenfigur im Gegensatz zu einem wirklichen Charakter laut denkt, mit sich [186] selbst spricht."  
+
"Der Monolog beruht primör auf einer Konvention, einer nicht ausgesprochenen Übereinkunft zwischen Autor und Rezipient, daß eine Dramenfigur im Gegensatz zu einem wirklichen Charakter laut denkt, mit sich [186] selbst spricht."
186 In der Realität: pathologisch
+
|-
"Die Konvention bezieht ihre Rechtfertigung nicht aus einem mimetischen Wirklichkeitsbezug [...], sondern aus den Funktionen, die sie zu erfüllen vermag." nämlich solche, "wie sie in narrativen Texten meist durch das vermittelnde Kommunikationssystem des Erzählers erfüllt werden" (soll dessen Abwesenheit kompensieren).  
+
|valign="top"|186
daneben: strukturell gliedernde Funktion:  
+
|valign="top"|In der Realität: pathologisch
—Brückenmonolog, der Szenen verbindet.  
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"Die Konvention bezieht ihre Rechtfertigung nicht aus einem mimetischen Wirklichkeitsbezug [...], sondern aus den Funktionen, die sie zu erfüllen vermag." nämlich solche, "wie sie in narrativen Texten meist durch das vermittelnde Kommunikationssystem des Erzählers erfüllt werden" (soll dessen Abwesenheit kompensieren).
—Auftrittsmonolog: Vorbereitung von Handlungsentwicklungen.
+
daneben: strukturell gliedernde Funktion:
—Abgangsmonolog: Zusammenfassung von Handlungsentwicklungen.
+
*Brückenmonolog, der Szenen verbindet.
—Binnenmonolog: Retardierendes Moment, Schafft reflektierende Distanz.  
+
*Auftrittsmonolog: Vorbereitung von Handlungsentwicklungen.
187 historisch: schon im 17. und 18. Jahrhundert "Vorbehalte gegenüber dem Artifiziellen dieser Konvention"
+
*Abgangsmonolog: Zusammenfassung von Handlungsentwicklungen.
 +
*Binnenmonolog: Retardierendes Moment, Schafft reflektierende Distanz.
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|valign="top"|187
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|valign="top"|historisch: schon im 17. und 18. Jahrhundert "Vorbehalte gegenüber dem Artifiziellen dieser Konvention"
 
Realismus und Naturalismus: explizite poetologische Ablehnung. (Bsp: Ibsen, Brand)
 
Realismus und Naturalismus: explizite poetologische Ablehnung. (Bsp: Ibsen, Brand)
 
zugleich: Weiterverwendung des motivierten Monologs (Strindberg, Fräulein Julie)
 
zugleich: Weiterverwendung des motivierten Monologs (Strindberg, Fräulein Julie)
188 => Monolog wechselt vom äußeren ins innere Kommunikationssystem des Texts; eine monologisierende Figur wird nun schon dadurch charakterisiert.  
+
|-
189 4.5.2.2 Disposition vs. Spontaneität
+
|valign="top"|188
190 konventionelle Monologe tendieren zu klarer Disposition, motivierte zu Ungeordnetheit.
+
|valign="top"|=> Monolog wechselt vom äußeren ins innere Kommunikationssystem des Texts; eine monologisierende Figur wird nun schon dadurch charakterisiert.
4.5.2.3 Aktionale vs. nicht-aktionale Monologe
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|valign="top"|189
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|valign="top"|4.5.2.2 Disposition vs. Spontaneität
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|valign="top"|190
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|valign="top"|konventionelle Monologe tendieren zu klarer Disposition, motivierte zu Ungeordnetheit.
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|valign="top"|
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|valign="top"|4.5.2.3 Aktionale vs. nicht-aktionale Monologe
 
aktionaler Monolog: im Sprechen vollzieht sich Handlung als Situationsveränderung
 
aktionaler Monolog: im Sprechen vollzieht sich Handlung als Situationsveränderung
191 nicht-aktional: informierende vs. kommentierende.  
+
|-
192 4.5.3 Beiseite-Sprechen
+
|valign="top"|191
 +
|valign="top"|nicht-aktional: informierende vs. kommentierende.
 +
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 +
|valign="top"|192
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|valign="top"|4.5.3 Beiseite-Sprechen
 
4.5.3.1 Monologisches Beiseite: Konvention vs. Motivation
 
4.5.3.1 Monologisches Beiseite: Konvention vs. Motivation
 
- an kein Gegenüber auf der Bühne gerichtet.
 
- an kein Gegenüber auf der Bühne gerichtet.
 
- Sprecher aber nicht allein
 
- Sprecher aber nicht allein
 
- Sprecher ist sich der Gegenwart anderer Personen bewußt.
 
- Sprecher ist sich der Gegenwart anderer Personen bewußt.
193 Motiviert: Dialogpartner bemerkt die Reaktion des Beiseitesprechenden, verstedht aber die Worte nicht.
+
|-
194 4.5.3.2 Beiseite ad spectatores
+
|valign="top"|193
Beiseitesprechender hat epische Vermittlungsfunktion.  
+
|valign="top"|Motiviert: Dialogpartner bemerkt die Reaktion des Beiseitesprechenden, verstedht aber die Worte nicht.
195 4.5.3.3 Dialogisches Beiseite
+
|-
 +
|valign="top"|194
 +
|valign="top"|4.5.3.2 Beiseite ad spectatores
 +
Beiseitesprechender hat epische Vermittlungsfunktion.
 +
|-
 +
|valign="top"|195
 +
|valign="top"|4.5.3.3 Dialogisches Beiseite
 
meist konspiratives Sprechen oder Sprechen in Belauschungssituation.
 
meist konspiratives Sprechen oder Sprechen in Belauschungssituation.
[...]  
+
|-
240 5.4 FIGURENKONZEPTION UND FIGURENCHARAKTERISIERUNG
+
|valign="top"|
zwei Ebenen:  
+
|valign="top"|[...]
Figurenkonzeption = "das anthropologische Modell, das der dramatischen Figur zugrundeliegt, und die Konventionen seiner Fiktionalisierung"
+
|-
Figurencharakterisierung = "die formalen Techniken der Informationsvergabe, mit denn die Figur präsentiert wird.  
+
|valign="top"|240
241 sind interdependent.
+
|valign="top"|5.4 FIGURENKONZEPTION UND FIGURENCHARAKTERISIERUNG
 +
 
 +
zwei Ebenen:
 +
 
 +
*Figurenkonzeption = "das anthropologische Modell, das der dramatischen Figur zugrundeliegt, und die Konventionen seiner Fiktionalisierung"
 +
*Figurencharakterisierung = "die formalen Techniken der Informationsvergabe, mit denn die Figur präsentiert wird.
 +
|-
 +
|valign="top"|241
 +
|valign="top"|sind interdependent.
  
 
5.4.1 Figurenkonzeption
 
5.4.1 Figurenkonzeption
 
5.4.1.1 Drei Dimensionen
 
5.4.1.1 Drei Dimensionen
 +
 
(nach B. Beckermann, Dynamics of Drama):
 
(nach B. Beckermann, Dynamics of Drama):
Weite: Bandbreite der Entwicklungsmöglichkeiten einer Figur
+
*Weite: Bandbreite der Entwicklungsmöglichkeiten einer Figur
Länge: von der Figur zurückgelegte Entwicklung
+
*Länge: von der Figur zurückgelegte Entwicklung
Tiefe: Beziehung zwischen dem äußeren Verhalten und dem inneren Leben.  
+
*Tiefe: Beziehung zwischen dem äußeren Verhalten und dem inneren Leben.
  
 
5.4.1.2 Statische vs. dynamische Figurenkonzeption
 
5.4.1.2 Statische vs. dynamische Figurenkonzeption
242 Historisch unterschiedlich gewertet, häufig gattungsbedingt.  
+
|-
243 5.4.1.3 Ein- vs. mehrdimensionale Figurenkonzeption
+
|valign="top"|242
(nach E.M. Forster, Aspects of the Novel: "flat vs. round characters")
+
|valign="top"|Historisch unterschiedlich gewertet, häufig gattungsbedingt.
244 5.4.1.4 Personifikation — Typ — Individuum  
+
|-
sind wichtige Zwischenformen der Dimensionalität der figur.  
+
|valign="top"|243
Personifikation: Figur weist nur einen Merkmalsbereich auf.  
+
|valign="top"|5.4.1.3 Ein- vs. mehrdimensionale Figurenkonzeption
245 Typ: repräsentiert "soziologische und/oder psychologische Merkmalskomplexion".
+
 
Individuum: Person wird einmalig und unwiederholbar gezeichnet, vielfältig spezifiziert.  
+
nach E.M. Forster, Aspects of the Novel: "flat vs. round characters")
246 5.4.1.5 Geschlossene vs. offene Figurenkonzeption
+
|-
offen: irreduzible Mehrdeutigkeit
+
|valign="top"|244
geschlossen: a. explizit definiert; b. impliziert, aber gleichwohl vollständig ergänzbar definiert.
+
|valign="top"|5.4.1.4 Personifikation — Typ — Individuum
247 5.4.1.6 Transpsychologische vs. psychologische Figurenkonzeption
+
 
249 5.4.1.7 Identitätsverlust
+
sind wichtige Zwischenformen der Dimensionalität der figur.
 +
 
 +
Personifikation: Figur weist nur einen Merkmalsbereich auf.
 +
|-
 +
|valign="top"|245
 +
|valign="top"|Typ: repräsentiert "soziologische und/oder psychologische Merkmalskomplexion".
 +
Individuum: Person wird einmalig und unwiederholbar gezeichnet, vielfältig spezifiziert.
 +
|-
 +
|valign="top"|246
 +
|valign="top"|5.4.1.5 Geschlossene vs. offene Figurenkonzeption
 +
 
 +
*offen: irreduzible Mehrdeutigkeit
 +
*geschlossen: a. explizit definiert; b. impliziert, aber gleichwohl vollständig ergänzbar definiert.
 +
|-
 +
|valign="top"|247
 +
|valign="top"|5.4.1.6 Transpsychologische vs. psychologische Figurenkonzeption
 +
|-
 +
|valign="top"|249
 +
|valign="top"|5.4.1.7 Identitätsverlust
 
"das radikalere Phänomen der sinnfälligen Auflösung der Identität von Figuren für den Rezipienten" (modernes Phänomen)
 
"das radikalere Phänomen der sinnfälligen Auflösung der Identität von Figuren für den Rezipienten" (modernes Phänomen)
250 5.4.2 Figurencharakterisierung
+
|-
 +
|valign="top"|250
 +
|valign="top"|5.4.2 Figurencharakterisierung
 
5.4.2.1 Repertoire der Charakterisierungstechniken
 
5.4.2.1 Repertoire der Charakterisierungstechniken
251 5.4.2.2 Explizit-figurale Charakterisierungstechniken
+
|-
Eigenkommentar; Fremdkommentar.  
+
|valign="top"|251
.....
+
|valign="top"|5.4.2.2 Explizit-figurale Charakterisierungstechniken
252 Verzweigungsdiagramm der Techniken der Figurencharakterisierung
+
 
[...]  
+
Eigenkommentar; Fremdkommentar.
265 6. GESCHICHTE UND HANDLUNG
+
|-
 +
|valign="top"|.....
 +
|-
 +
|valign="top"|252
 +
|valign="top"|Verzweigungsdiagramm der Techniken der Figurencharakterisierung
 +
|-
 +
|valign="top"|[...]
 +
|-
 +
|valign="top"|265
 +
|valign="top"|6. GESCHICHTE UND HANDLUNG
 
6.1. GESCHICHTE, HANDLUNG UND SITUATION
 
6.1. GESCHICHTE, HANDLUNG UND SITUATION
 
6.1.1 Geschichte
 
6.1.1 Geschichte
 
6.1.1.1 Geschichte als Substrat von dramatischen und narrativen Texten
 
6.1.1.1 Geschichte als Substrat von dramatischen und narrativen Texten
Drei Elemente erforderlich für Geschichte:  
+
 
—ein oder mehrere menschliche bzw. anthropomorphe Subjekte;
+
Drei Elemente erforderlich für Geschichte:
—temporale Dimension der Zeiterstreckung;
+
*ein oder mehrere menschliche bzw. anthropomorphe Subjekte;
—spatiale Dimension der Raumausdehnung.
+
*temporale Dimension der Zeiterstreckung;
 +
*spatiale Dimension der Raumausdehnung.
 +
 
 
Makrostrukturelle Abgrenzung von Argumentation und Deskription.
 
Makrostrukturelle Abgrenzung von Argumentation und Deskription.
266 Auf der Ebene des Dargestellten, nicht der Darstellung situiert.  
+
|-
 +
|valign="top"|266
 +
|valign="top"|Auf der Ebene des Dargestellten, nicht der Darstellung situiert.
 
"das Gerüst der invarianten Relationen, das allen realisierten und möglichen Darstellungen gemeinsam ist".
 
"das Gerüst der invarianten Relationen, das allen realisierten und möglichen Darstellungen gemeinsam ist".
 
Inhaltsangabe.
 
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6.1.1.2 Geschichte vs. Fabel/Mythos/plot
 
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Fabel: Ebene der Darstellung — kausale und andere sinnstiftende Relationierungen, Phasenbildung, zeitliche und räumliche Umgruppierungen
 
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6.1.2.2 Handlung vs. Geschichte
 
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Handlung: "absichtsvoll gewählte, nicht kausal bestimmte Überführung einer Situation in eine andere" (A.Hübler).
 
Handlung: "absichtsvoll gewählte, nicht kausal bestimmte Überführung einer Situation in eine andere" (A.Hübler).
=> triadische Struktur: Ausgangssituation, Veränderungsversuch, veränderte Situation.  
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(vgl Bremond: "Dreischritt von einer Situation, die eine Hanldungsmöglichkeit eröffnet, über die Aktualisierung dieser Möglichkeit zur erfolgreichen Situationsveränderung")
 
(vgl Bremond: "Dreischritt von einer Situation, die eine Hanldungsmöglichkeit eröffnet, über die Aktualisierung dieser Möglichkeit zur erfolgreichen Situationsveränderung")
270 "'Geschichte erweist sich also als der weitere Begriff, wobei Handlung durch die differentia specifica einer intentionalen Situationsveränderung von anderen Formen oder Bestandteilen von Geschichte abgegrenzt wird."  
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6.1.2.3 Handlung vs. Geschehen
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diese anderen heißen: "Geschehen": "Geschichte oder Teile von GEschichten, in denen entweder die menschlichen Subjekte unfähig zu einer intentionalen Wahl sind oder die Situation sich jeder Veränderung entzieht".  
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271 vor allem in der Moderne; Bsp. Becketts "Reduktion der Geschichte auf Geschehensabläufe".
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6.1.3 Situation
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diese anderen heißen: "Geschehen": "Geschichte oder Teile von GEschichten, in denen entweder die menschlichen Subjekte unfähig zu einer intentionalen Wahl sind oder die Situation sich jeder Veränderung entzieht".
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ist auf der Geschichtsebene anzusiedeln (nicht auf der Darstellungsebene)
 
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Situation kann konfliktfrei oder konflikthaft strukturiert sein; nur letztere erlaubt situationsveränderndes Handeln; konfliktfrei=>Geschehen oder Intervention von außen.
 
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Latest revision as of 18:03, 24 November 2008

79 3.4 DIE RELATIONEN ZWISCHEN FIGUREN- UND ZUSCHAUERINFORMIERTHEIT
3.4.1 Diskrepante Informiertheit
80 Discrepant awareness (nach Bertrand Evans): "Es läßt sich [...] in jeder Situation des Textablaufs für [81] jede dramatische Figur die Summe der Informationen angeben, von der aus als faktischer Basis sie die jeweilige Situation beurteilt. Durch die diskrepante Informiertheit wird also ein und dieselbe Situation von den beteiligten Figuren unterschiedlich beurteilt.
81 3.4.1.1 Informationsvorsprung der Zuschauer

quantitativ dominierend.

83 3.4.1.2 Informationsrückstand der Zuschauer
84 Der zerbrochene Krug.
85 Ibsen; meist werden allerdings gegenläufige Strukturen der Informiertheit kombiniert.

Technik: "Reduktion der Mitteilungsmöglichkeiten der dramatischen Figur: der Informationsträger bleibt opak"

86 3.4.2 Kongruente Informiertheit

tritt auf in einzelnen Textphasen oder nur in der Relation zwischen einer Figur und dem Publikum. konsequent nur vereinzelt: etwa in Waiting for Godot.

87 3.4.3 Dramatische Ironie
88 beruht auf der "Interferenz von innerem und äußerem Kommunikationssystem"

"tritt immer dann auf, wenn die sprachliche Äußerung oder das außersprachliche Verhalten einer Figur für den Rezipienten aufgrund seiner überlegenen Informiertheit eine der Intention der Figur widersprechende Zusatzbedeutung erhält". <Bsp: honest Iago>

[...]
122 3.7 SUKZESSION UND INFORMATIONSVERGABE

3.7.1 Simultaneität und Sukzession

124 3.7.2 Informationsvergabe am Drameneingang

3.7.2.1 Exposition und dramatischer Auftakt Exposition: primär informativ-referentielle Funktion Auftakt: darüber hinaus die phatischen Funktionen der Aufmerksamkeitsweckung des Rezipienten und der atmosphärischen Einstimmung auf die Spielwelt.

125 3.7.2.2 Initial-isolierte vs. sukzessiv-integrierte Exposition
126 (zu letzerem gehören auch analytische Struktur im Drama und Anagnorisis)
127 3.7.2.3 Dominanter Zeitbezug

dominanter Vergangenheitsbezug: expositorische Informationsvergabe dominiert den Kontext, Gegenwart der dramatischen Situation bleibt ihr untergeordnet. (Extrembeispiel: Prolog). dominanter Gegenwartsbezug: "expositorische Informationsvergabe durch die gegenwärtige dramatische Situation motiviert", "ihr funktional untergeordnet".

128 dominant futurischer Bezug:
129 (Bsp: Hexen am Anfang von Macbeth)
130 3.7.2.4 Monologische vs. dialogische Vermittlung

monologisch: durch spielexterne Figur: Prolog(figur). duch spielinterne Figur: nicht so isoliert, Übergang kann fließend gestaltet werden.

132 dialogisert: am einfachsten durch 'protatische Figur'
132f frz. Tragödie: Held-confident
133f komplexer: Integration in richtigen Dialog der Figuren. Bsp. Hofmannsthals Der Schwierige
135 => "perspektivische Exposition": "wenn [der] prinzipiell gegebene Perspektivismus durch ein Arrangement von miteinander korrespondierenden und kontrastierenden perspektivischen Rückwendungen bewußt gemacht wird.
3.7.2.5 Deskriptive vs. normative Theorie der Exposition.

die drei genannten Kriterien sollen nicht der ästhetischen Wertung dienen.

136 3.7.2.6 Außersprachliche expositiorische Informationsvergabe; point of attack und Exposition
137 später point of attack: "der dramatisch präsentierten Eingangssituation geht eine umfangreiche Vorgeschichte voraus" => große Menge von Informationen ist expositorisch zu vermitteln.

früher point of attack: Einsatzpunkt der dramatisch präsentierten Handlungsphasen fällt mit dem Anfang der Geschichte zusammen.

3.7.3 Informationsvergabe am Dramenende

Aristoteles: Lusis, Peripetie, Anagnorisis, Katastrophe

138 Lateinische Theoretiker: solutio, inversio.

Frz. Klassik: Dénouement.

3.7.3.1 Geschlossenes Dramenende

Anagnorisis, solutio, Dénouement: Informationsdiskrepanzen zwischen den Figuren selbst und zwischen Figuren und Publikum werden abgebaut. => "geschlossenes Dramenende"

140 3.7.3.2 Offenes Dramenende

Informationsdiskrepanzen bleiben bestehen, Funktion unterschiedlich.

[...]
180 4.5 MONOLOGISCHES SPRECHEN

4.5.1 Monolog und Dialog 4.5.1.1 Situative und strukturelle Differenzkriterien —situativ: Einsamkeit des Sprechers, Selbstgespräch (engl: soliloquy) [binäre Klassifikation: ja oder nein] —strukturell: Umfang und in sich geschlossener Zusammenhang einer Replik (engl: monologue) [Skalierung: mehr oder weniger].

181 4.5.1.2 Monolog vs. Monologhaftigkeit, Dialog vs. Dialoghaftigkeit

Dialog- bzw. Monologhaftigkeit etc. ergibt sich aus dem 'mehr oder weniger' der strukturellen Beschreibung. Nach Mukarovský bringt jeder Sprecher seinen eigenen Kontext in den Dialog ein. Im Dialog prallen also die Kontexte aufeinander. (Ableitung des strukturellen Kriteriums aus dem situativen).

182 auch in der Rede der einzelnen Figur können sich mehrere Kontexte durchdringen.

=> je mehr semantische Richtungsänderungen, desto mehr Dialogizität.

4.5.1.3 Monologisierung des Dialogs

idealtypischer "dialoghafter Dialog": "störungsfreie Zwei- oder Mehrwegkommunikation zwischen zwei oder mehreren Figuren, die zueinander in einem Verhältnis der Polarität und Spannung stehen, in ihren Repliken ständig aufeinander Bezug nehmen und aufgrund prinzipieller Gleichberechtigung einander jederzeit unterbrechen können, so daß sich eine ausgewogene quantitative Relation ihrer Repliken ergibt" Monologisierung: als Resultat gestörter Kommunikation

183 als Resultat des vollständigen Konsensus zwischen Figuren.
184 als Resultat der Dominanz einer Figur.
4.5.1.4 Dialogisierung des Monologs

Anrede, Apostrophe (an eine Gottheit). Selbstapostrophierung (innerer Dialog).

185 Wendung ans Publikum. sie etabliert aber im ad spectatores ein episches Kommunikationssystem.
4.5.2 Monolog

4.5.2.1 Konvention vs. Motivation "Der Monolog beruht primör auf einer Konvention, einer nicht ausgesprochenen Übereinkunft zwischen Autor und Rezipient, daß eine Dramenfigur im Gegensatz zu einem wirklichen Charakter laut denkt, mit sich [186] selbst spricht."

186 In der Realität: pathologisch

"Die Konvention bezieht ihre Rechtfertigung nicht aus einem mimetischen Wirklichkeitsbezug [...], sondern aus den Funktionen, die sie zu erfüllen vermag." nämlich solche, "wie sie in narrativen Texten meist durch das vermittelnde Kommunikationssystem des Erzählers erfüllt werden" (soll dessen Abwesenheit kompensieren). daneben: strukturell gliedernde Funktion:

  • Brückenmonolog, der Szenen verbindet.
  • Auftrittsmonolog: Vorbereitung von Handlungsentwicklungen.
  • Abgangsmonolog: Zusammenfassung von Handlungsentwicklungen.
  • Binnenmonolog: Retardierendes Moment, Schafft reflektierende Distanz.
187 historisch: schon im 17. und 18. Jahrhundert "Vorbehalte gegenüber dem Artifiziellen dieser Konvention"

Realismus und Naturalismus: explizite poetologische Ablehnung. (Bsp: Ibsen, Brand) zugleich: Weiterverwendung des motivierten Monologs (Strindberg, Fräulein Julie)

188 => Monolog wechselt vom äußeren ins innere Kommunikationssystem des Texts; eine monologisierende Figur wird nun schon dadurch charakterisiert.
189 4.5.2.2 Disposition vs. Spontaneität
190 konventionelle Monologe tendieren zu klarer Disposition, motivierte zu Ungeordnetheit.
4.5.2.3 Aktionale vs. nicht-aktionale Monologe

aktionaler Monolog: im Sprechen vollzieht sich Handlung als Situationsveränderung

191 nicht-aktional: informierende vs. kommentierende.
192 4.5.3 Beiseite-Sprechen

4.5.3.1 Monologisches Beiseite: Konvention vs. Motivation - an kein Gegenüber auf der Bühne gerichtet. - Sprecher aber nicht allein - Sprecher ist sich der Gegenwart anderer Personen bewußt.

193 Motiviert: Dialogpartner bemerkt die Reaktion des Beiseitesprechenden, verstedht aber die Worte nicht.
194 4.5.3.2 Beiseite ad spectatores

Beiseitesprechender hat epische Vermittlungsfunktion.

195 4.5.3.3 Dialogisches Beiseite

meist konspiratives Sprechen oder Sprechen in Belauschungssituation.

[...]
240 5.4 FIGURENKONZEPTION UND FIGURENCHARAKTERISIERUNG

zwei Ebenen:

  • Figurenkonzeption = "das anthropologische Modell, das der dramatischen Figur zugrundeliegt, und die Konventionen seiner Fiktionalisierung"
  • Figurencharakterisierung = "die formalen Techniken der Informationsvergabe, mit denn die Figur präsentiert wird.
241 sind interdependent.

5.4.1 Figurenkonzeption 5.4.1.1 Drei Dimensionen

(nach B. Beckermann, Dynamics of Drama):

  • Weite: Bandbreite der Entwicklungsmöglichkeiten einer Figur
  • Länge: von der Figur zurückgelegte Entwicklung
  • Tiefe: Beziehung zwischen dem äußeren Verhalten und dem inneren Leben.

5.4.1.2 Statische vs. dynamische Figurenkonzeption

242 Historisch unterschiedlich gewertet, häufig gattungsbedingt.
243 5.4.1.3 Ein- vs. mehrdimensionale Figurenkonzeption

nach E.M. Forster, Aspects of the Novel: "flat vs. round characters")

244 5.4.1.4 Personifikation — Typ — Individuum

sind wichtige Zwischenformen der Dimensionalität der figur.

Personifikation: Figur weist nur einen Merkmalsbereich auf.

245 Typ: repräsentiert "soziologische und/oder psychologische Merkmalskomplexion".

Individuum: Person wird einmalig und unwiederholbar gezeichnet, vielfältig spezifiziert.

246 5.4.1.5 Geschlossene vs. offene Figurenkonzeption
  • offen: irreduzible Mehrdeutigkeit
  • geschlossen: a. explizit definiert; b. impliziert, aber gleichwohl vollständig ergänzbar definiert.
247 5.4.1.6 Transpsychologische vs. psychologische Figurenkonzeption
249 5.4.1.7 Identitätsverlust

"das radikalere Phänomen der sinnfälligen Auflösung der Identität von Figuren für den Rezipienten" (modernes Phänomen)

250 5.4.2 Figurencharakterisierung

5.4.2.1 Repertoire der Charakterisierungstechniken

251 5.4.2.2 Explizit-figurale Charakterisierungstechniken

Eigenkommentar; Fremdkommentar.

.....
252 Verzweigungsdiagramm der Techniken der Figurencharakterisierung
[...]
265 6. GESCHICHTE UND HANDLUNG

6.1. GESCHICHTE, HANDLUNG UND SITUATION 6.1.1 Geschichte 6.1.1.1 Geschichte als Substrat von dramatischen und narrativen Texten

Drei Elemente erforderlich für Geschichte:

  • ein oder mehrere menschliche bzw. anthropomorphe Subjekte;
  • temporale Dimension der Zeiterstreckung;
  • spatiale Dimension der Raumausdehnung.

Makrostrukturelle Abgrenzung von Argumentation und Deskription.

266 Auf der Ebene des Dargestellten, nicht der Darstellung situiert.

"das Gerüst der invarianten Relationen, das allen realisierten und möglichen Darstellungen gemeinsam ist". Inhaltsangabe.

6.1.1.2 Geschichte vs. Fabel/Mythos/plot Fabel: Ebene der Darstellung — kausale und andere sinnstiftende Relationierungen, Phasenbildung, zeitliche und räumliche Umgruppierungen

268 6.1.2 Handlung
269 6.1.2.1 Handlung — Handlungssequenz — Handlungsphase

6.1.2.2 Handlung vs. Geschichte Handlung: "absichtsvoll gewählte, nicht kausal bestimmte Überführung einer Situation in eine andere" (A.Hübler). => triadische Struktur: Ausgangssituation, Veränderungsversuch, veränderte Situation. (vgl Bremond: "Dreischritt von einer Situation, die eine Hanldungsmöglichkeit eröffnet, über die Aktualisierung dieser Möglichkeit zur erfolgreichen Situationsveränderung")

270 "'Geschichte erweist sich also als der weitere Begriff, wobei Handlung durch die differentia specifica einer intentionalen Situationsveränderung von anderen Formen oder Bestandteilen von Geschichte abgegrenzt wird."

6.1.2.3 Handlung vs. Geschehen diese anderen heißen: "Geschehen": "Geschichte oder Teile von GEschichten, in denen entweder die menschlichen Subjekte unfähig zu einer intentionalen Wahl sind oder die Situation sich jeder Veränderung entzieht".

271 vor allem in der Moderne; Bsp. Becketts "Reduktion der Geschichte auf Geschehensabläufe".

6.1.3 Situation

ist auf der Geschichtsebene anzusiedeln (nicht auf der Darstellungsebene)

272 Ist das Moment des Konflikts als konstitutiv zu sehen?

Situation kann konfliktfrei oder konflikthaft strukturiert sein; nur letztere erlaubt situationsveränderndes Handeln; konfliktfrei=>Geschehen oder Intervention von außen.