Talk:Exzerpt eines primär- und eines Sekundärtexts (unbenotet)

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Ein paar generelle Bemerkungen zu den eingegangenen Exzerpten

Einige von Euch werden auf den Exzerpten persönliche Bemerkungen finden, die meisten nicht – das liegt daran, daß sich nach einiger Zeit die Notizen, die ich gab, wiederholten. Ich entschied mich schließlich, Euch besser gemeinsam eine Reihe ausführlicher Bemerkungen zu schreiben, als allen einzelnen kurze, wenig aufschlussreiche.

Wozu Exzerpte schreiben?

Vorab: die meisten von Euch haben sich dieser Aufgabe mit viel Sorgfalt gewidmet. Es wird im Verlauf Eures Studiums nicht immer möglich sein, sich so ausführliche Notizen zu einem gelesenen Text zu machen wie in dieser Testaufgabe. Wie das gute Exzerpt aussieht – wir machten dazu einige generelle Angaben vorweg, doch eine Regel kann man dafür nicht geben. Das gute Exzerpt schreibt Ihr für Euch in der Zukunft – und damit kommt eine Zweckausrichtung ins Spiel, die man vorher nicht kennt. Ihr schreibt es

  • für den Moment, wenn das betreffende Buch, Drama oder Gedicht im Seminar durchgenommen wird – als Gedächtnisstütze, die man vor der Stunde überfliegen kann, aus der man während der Stunde Seitenverweise und interessante Stellen beziehen kann,
  • als Vorarbeit für die Seminararbeit, in der Ihr auf diesen Titel näher eingehen wollt,
  • um erste Gedanken zum Material zu notieren und später bei der Seminararbeit nicht zum ersten Mal einen Gedanken zu suchen (es empfiehlt sich darum am Ende des Exzerpts kurz noch einmal frei zu überlegen – was war der eigene Eindruck? Wo war man überrascht? Was kann einem das irgendwann noch mal helfen – in welcher Frage könnte das noch mal interessant werden? – oft hat man da Ideen, die später mal nützlich werden).
  • um es unter anderen Exzerpten abzulegen und so mit der Zeit eine Sammlung von Texten zu gewinnen, mit denen Ihr Euch einmal befaßtet – als Gedächtnisstütze für Prüfungen und als Basis für spätere Schulstunde, für die man in eines Tages Material sucht, das sich mit einem bestimmten Ergebnis besprechen läßt.

Es ist bei der Vielzahl der Verwendungszwecke schwierig, generelle Regeln für gute Exzerpte zu geben. Man weiß im Vorhinein nicht, womit man sich selbst einmal einen guten Dienst erweist. Man weiß zudem nicht, woran man sich in einer Woche oder drei Jahren noch erinnert – mitunter an so wenig, daß man das eigene Exzerpt bald schon nicht mehr versteht.

Primärtext-Lektüren

Ein paar grundlegende Dinge zu den Problemen, die sich mit den einzelnen Texten der Vorlesung sehr unterschiedlich stellten. T.S. Eliots Waste Land (1922) kann man in drei Stunden lesen, Chaucer's Shipman's Tale ist mit ihren 430 Zeilen noch schneller neu gelesen. Für Robinson Crusoe braucht man dagegen ein paar Tage, für ein Shakespeare Stück ein zwei Abende. Man sollte bedenken, wieviel Zeit man für die erneute Lektüre brauchen wird. Beim kurzen Text eine lange Inhaltsangabe schreiben, die tatsächlich weniger sagt als der Text selbst, ist sinnlos – man wird das Exzerpt links liegen lassen und den Text neu lesen, zumal man bei der zweiten Lektüre sowieso auf ganz neue Dinge achten wird (also wäre es interessant zumindest zu wissen, worauf man beim ersten Mal achtete…).

Ergebnis- oder Verlaufsprotokoll? – Ersteres bei kurzen Texten

Bei langen Büchern und komplizierten Dramen liegt es nahe, ein Verlaufsprotokoll anzufertigen. Was geschieht der Reihe nach? Man kann sich oft auf Seite 200 nicht mehr erinnern, was auf Seite 67 geschah und hat noch 200 Seiten vor sich. Da erlaubt es einem das Exzerpt am Ende die Handlungsstränge im Auge zu behalten.

Bei kurzen Geschichten und Gedichten ist es dagegen vier interessanter, in drei, vier Sätzen den Plot wiederzugeben und auf die Nacherzählung zu verzichten. Man kann den kurzen Text jederzeit noch mal durchlesen – benötigt das Exzerpt viel mehr, um aus ihm zu ersehen, ob es interessant ist, das zu tun. Das könnte bei Chaucer etwa so aussehen:

In Chaucers Shipman's Tale geht es um eine Kaufmannsgattin, die sich mit Luxuseinkäufen verschuldete und ihren Mann nicht bitten möchte, für ihre Schulden aufzukommen. Sie bittet statt dessen einen Freund ihres Mannes, einen Mönch, ihr das Geld zu geben – und verbringt dafür eine Nacht mit ihm. Der wiederum leiht sich das Geld von ihrem Mann. Als dieser nach seiner nächsten Handelsreise auf den geliehenen Betrag zurückkommt, erklärt der Mönch ihm, das Geld bereits der Gattin zurückgezahlt zu haben – die wiederum behauptet, sie habe nicht gewußt, daß es sich um eine Schuld handelte und es ausgegeben. Ihrem Gatten könne sie es mit ihrem Körper zurückzahlen.

Das ist der Plot der 430 Zeilen. Will man irgend etwas es genauer wissen, liest das Original besser noch mal – eine halbe Stunde Arbeit. Hat man von solchen Plots einige Dutzend in Kurzfassungen, kann man bei einer Arbeit durch seine Exzerpte gehen und etwa nach Geschichten von Ehebruch, oder von Mönchen suchen. Da sind dann die kurzen Notizen praktisch, um schnellen Überblick über viele Geschichten zu kriegen.

Statt des langen inhaltlichen Exzerpts kann man die Gelegenheit nun für Beobachtungen nutzen. Die Geschichte ist merkwürdig: Wer betrügt da wen? Der Mönch den Kaufmann? Ja, so sicher wie die Frau ihren Mann betrügt, wenn sie Sex mit dessen Freund hat. Doch die Geldgeschichte? Ist das ein Betrug? Hier wird genauer besehen Geld allenfalls umetikettiert – der Mönch "leiht" es sich und gibt später an, es "zurückgezahlt" zu haben. Irgendwie verändert das trickreich den Status des Geldes und löst damit das Problem. Findet hier Gesellschaftskritik statt? Werden hier Mönche kritisiert? – dazu muß man die Geschichte eingehender lesen und nun Bewertungen heraussuchen. Hier beginnt die interessante Detailarbeit im Exzerpt der kurzen Geschichte.

Exzerpte langer Texte sind eher Verlaufsprotokolle

Ein Shakespeare-Drama oder Robinson Crusoe zusammenzufassen, ist eine ganz andere Aufgabe. Bei einem Drama oder Roman sollte man notieren, was der Reihe nach geschieht. Beim Drama ist es dabei gut, nicht Seitenzahlen zu notieren, sondern Akte und Szenen. I.ii.345 – oder 1.2.345 – heißt Akt 1, Szene 2, Zeile 345. Das hat den Vorteil, daß man dieselbe Stelle in beliebigen Ausgaben wiederfindet (außer den Quarto-Ausgaben bei EEBO, die noch keine solchen Notationen haben, und die man darum nach Seiten zitieren muß).

Beim langen Roman empfiehlt es sich am linken Rand Seitenzahlen zu notieren, rechts was Schritt für Schritt passiert.

Bei älteren Texten ist, nebenbei gesagt, immer Mißtrauen angesagt, was die benutzte Neuausgabe anbetrifft – jedenfalls dann, wenn die nicht sehr präzise erklärt, was sie gegenüber dem "Original" alles änderte:

Robinson Crusoe - da gab es Exzerpte der "Originalausgabe", die den 31 Überschriften der 31 Kapitel folgen – die die "Originalausgabe" gar nicht hatte. Ich las eines dieser Exzerpte mit besonderer Irritation, da die Verfasserin mit Titelblatt und Zitat einer kritischen (d.h. das Original kennenden) Internetausgabe, den Eindruck erweckte, tatsächlich eine sehr wortgetreue Ausgabe eingesehen zu haben – mit der zitierten Ausgabe arbeitete die Verfasserin jedoch dann nicht weiter (und das notierte sie nicht – ihre Ausgabe war stammte aus dem 19. Jahrhundert, eine Ausgabe, die jemand einscannte, als html-Text ins Netz stellte und als Originalausgabe dort anpries). Tatsächlich "zitierten" eine ganze Reihe von Euch Robinson Crusoe-Ausgaben als ob sie die erste Ausgabe 1719 zitierten – doch tatsächlich zitierten sie irgendwelche Ausgaben, in denen drinstand, daß das Buch erstmals 1719 erschien, deren Seitenzählung mit der genannten Erstausgaben jedoch nicht weiter korreliert. Ihr werdet später nicht mehr wissen, was Euch die Kapitel- und Seitenangaben sagen sollen.

Was schreibt man nun ins Exzerpt zum Roman? Der Handlungsabriß ist praktisch, wenn man später eine Szene/Stelle wiederfinden will. Man sollte während des Lesens interessante Textpassagen im Buch anstreichen und nachher beim Exzerptschreiben kurz notieren, was an ihnen interessant war.

Dramen-Exzerpte bergen ein besonderes Risiko: Man notiert Szene um Szene, was passiert – doch vergißt man, am Ende kurz zu notieren, worum es überhaupt ging und wer da mit wem verwandt war, wen liebte, wen tötete, welche Bindung zu hintertreiben versuchte.... Am Ende ist einem das eigene Exzerpt schnell rätselhaft mit seinen vielen knappen Notizen, wer da was plötzlich machte.

Exzerpte rätselhafter Texte

Texte, die man nicht versteht, schaffen eine nächste Schwierigkeit. T.S. Eliot bereitete hier das größte Problem. Wie will man das zusammenfassen? Eine gute Übung: Nach der Lektüre sich fragen, was man einem anderen Menschen davon erzählen würde? Überlegen, warum der Text schwierig war – welche Lesarten gegeneinander standen.

Exzerpte von Sekundärliteratur

Eure Sekundärliteratur-Exzerpte waren durchweg sehr ausgiebig, Ihr sogt vor allem Fakten aus den Artikeln – und Thesen nebenbei. Ein paar Gedanken dazu – denn hier wird sich im Verlauf des Studiums viel ändern.

Am Anfang des Studiums liest man Aufsätze vor allem als Wissensspeicher und fragt sich, wie man sich all die Fakten merken soll – und was das für Menschen sind, die all diese Dinge wissen. Mit der Zeit verändert sich diese Perspektive. Es gibt wissenschaftliche Arbeiten, die vor allem als Ressourcen angelegt sind (das Shakespeare Handbuch) – es gibt, und das trifft vor allem für Aufsätze zu – ihnen gegenüber Beiträge, die eher von Teilnahme an der Fachdebatte zeugen.

Die Fakten merkt sich in der Regel nicht einmal der Verfasser eines Standardwerkes zu einem Thema. Während man an einem solchen Werk schreibt, hat man Materialien neben sich liegen, Exzerpte gelesener Bücher, einen Zettelkasten, elektronische Notizen… – und aus denen baut man die faktenreiche Arbeit zusammen. Elend viel Arbeit kommt nach dem Schreibvorgang noch auf einen zu: Man muß überprüfen und belegen, was man da doch oft aus dem Gedächtnis schrieb, wissen, was letztlich wo stand – das ist die eigentliche Leistung auf Seiten dessen, der ein dickes Buch oder einen gewichtigen faktenreichen Aufsatz zu einem Thema schreibt.

Wenn man ein Standardwerk in die Hand kriegt, sollte man sich merken, welche Informationen es enthält (nicht die Informationen selbst) – so daß man im Moment, da man sich mit diesem Thema auseinandersetzt, im Hinterkopf hat, daß es dazu eine wichtige Ressource gibt. (The London Stage, 1660-1800 – listet auf, was wann in diesem Zeitraum in London im Theater lief, Abend für Abend, alle Bühnen der Stadt).

Bei Aufsätzen ist es wichtiger, nachzudenken, in welchem Zusammenhang man diese mal zitieren könnte. Der Aufsatz zu den Mustern der Schottenröcke ist interessant, wenn man sich mit diesen Mustern beschäftigt. Er ist interessant, wenn man sich mit schottischer Geschichte befaßt – wir hatten ihn jedoch aus noch ganz anderen Gründen auf der Leserliste: Hier geht ein Autor kritisch mit Traditionen um. Schotten tragen diese Röcke, die Muster zeigen die Clans an – und man möchte meinen, daß diese eigentümlichen Kleidungsstücke besonders alt sein müßten, in der Gegend überlebten, da sie so abgeschieden war, oder da ihre Bewohner ein so intensives Traditionsbewußtsein haben, daß sie ihre Kleidung bewahrten.

Der Artikel räumt mit Vorstellungen auf, die von den Advokaten des schottischen Nationalbewußtseins, von der Tourismus-Industrie wie von allen Schottland-Liebhabern genährt werden. Er tut dies, indem er Quellen sucht, die belegen, wann welche Traditionen überhaupt erstmals erwähnt werden, und indem er notiert, daß anfänglich, im 18. und dann im frühen 19. Jahrhundert, durchaus noch ein Bewußtsein dafür bestand, daß hier Traditionen erfunden wurden. Traditionen wurden gezielt begründet, und läßt sich mit politischen Zielen verbinden, entwickelte eigene historische Dynamik, die der Aufsatz notiert.

Hugh Trevor-Ropers "The Invention of Tradition: The Highland Tradition of Scotland." (in: The Invention of Tradition ed. Eric Hobsbawm, Terence Ranger, Cambridge: Cambridge UP, 1st. ed. 1983) fügt sich ein in eine ganze Welle von wissenschaftlichen Arbeiten, die in den letzten Jahrzehnten Traditionslinien des 19. Jahrhunderts in Frage stellten und die Produktion von Geschichte in den Blick nahmen. Der Aufsatz fügt sich nebenbei in unsere Vorlesung ein, die erahnbar machen sollte, daß die Literaturgeschichte produziert wird.

Das Exzerpt zu einem solchen Text sollte notieren, was der Autor/die Autorin belegen will, es sollte evaluieren, wie der Beleg geschieht; wenn sich in dem Artikel spannende Fakten finden, genügen Notizen dazu. Wenn sich ein interessantes Zitat findet, mit dem man sehr gut sichtbar machen kann, was hier geschieht – ein Zitat, mit dem man den Artikel auf ein klares Statement bringen kann, dann ist es klug das zu notieren, so daß man es später griffbereit hat.

Ist das Sekundärliteratur-Exzerpt eine halbe Seite lang, hat es den Vorteil, nachher schnell lesbar zu sein. Gab es in diesem Aufsatz etwas interessantes, was die Behauptung stützt, die ich selbst machen will? Gab es hier Fakten, die ich einmal benötigen werde? Tat der Autor etwas, wovon ich mich absetzen möchte – und tat er es so, daß ich mit einem Zitat aufzeigen kann, welches Problem er erzeugt? Dann sollte ich das knapp für meine spätere Information notieren.

Das Endergebnis ist eine Sammlung von Notizen, die man zusammenziehen kann, wenn man je versucht, Überblick über ein Thema und seine Erforschung zu geben.

Was mit den Exzerpten tun?

Guter Tip: ordnet die Exzerpte nicht in einen Ordner "Basismodul 1, 2007/08, Studium." Letztes Semester waren es diese beiden Texte, die ihr last – dieses Semester kommen einige neue dazu. Manches werdet Ihr in Seminaren in der Zukunft wieder verwenden können – da ist es besser, gleich Dinge so abzulegen, daß Ihr sie beliebig neu benutzen könnt. Mein Tip ist der Ordner, der einfach nur chronologisch nach Ersterscheinungsjahr Exzerpte sortiert (und dabei Fachgrenzen sprengt – denn ein deutscher Text aus einem bestimmten Jahrzehnt neben dem Englischen, erweitert den Horizont).

Olaf Simons